Rumänien: Straßenhunde, Strukturen und Sehnsucht
Rumänien – ein Land zwischen Tradition und Wandel, zwischen transsilvanischem Märchenwald und hektischem Stadtleben. Vielen ist es bekannt durch seine landschaftliche Schönheit, die berühmten Karpaten oder die legendäre Figur des Graf Dracula. Doch neben Burgen und Bergen gibt es in Rumänien ein Thema, das Tierschützer, Hundefreunde und Organisationen weltweit bewegt: der Umgang mit Hunden, insbesondere mit Straßenhunden. Wenn du dich schon einmal gefragt hast, warum gerade aus Rumänien so viele Hunde zur Adoption in deutsche Tierheime kommen – hier erfährst du die Hintergründe. Der Artikel gibt dir nicht nur einen Einblick in die allgemeine Situation, sondern beleuchtet auch die Ursachen, Herausforderungen und Fortschritte im Tierschutz.
Rumänien im Überblick – ein Land voller Gegensätze
Rumänien liegt im Südosten Europas und grenzt unter anderem an Ungarn, die Ukraine, Bulgarien und Serbien. Mit knapp 19 Millionen Einwohnern (Stand 2023) gehört es zu den bevölkerungsreicheren Ländern Osteuropas. Offiziell ist Rumänien seit 2007 Mitglied der Europäischen Union, was dem Land viele Entwicklungschancen, aber auch Verpflichtungen gebracht hat – auch im Tierschutzbereich.
Wirtschaftlich zählt Rumänien zu den sich entwickelnden EU-Mitgliedsstaaten. In ländlichen Regionen ist die Armut immer noch hoch, was auch Auswirkungen auf den Umgang mit Tieren hat. Während in Großstädten wie Bukarest oder Cluj-Napoca eine gewisse Annäherung an westeuropäische Standards spürbar ist, sieht es in ärmeren Regionen ganz anders aus.
Straßenhunde in Rumänien – ein komplexes Erbe
Wie kam es zur Straßenhund-Problematik?
Die Geschichte der rumänischen Straßenhunde beginnt nicht erst im 21. Jahrhundert. Besonders drastisch wurde die Situation jedoch in den 1980er Jahren während der kommunistischen Herrschaft unter Nicolae Ceaușescu. In dem Versuch, die Bevölkerung in Großstädte umzusiedeln, wurden viele Menschen gezwungen, ihre Häuser aufzugeben und in Plattenbauten zu ziehen. Haustiere – insbesondere Hunde – durften oft nicht mitgenommen werden. Die Folge: Eine riesige Zahl an plötzlich herrenlosen Hunden blieb zurück und vermehrte sich unkontrolliert.
Ein weiteres Problem: Viele Hunde in ländlichen Gegenden lebten halbwild oder wurden als Hofhunde gehalten, oft ohne jegliche medizinische Versorgung oder Kastration. Sie wurden selten als Familienmitglieder gesehen, sondern eher als Wachtiere oder „Alarmanlagen“. Der Gedanke, einen Hund zu kastrieren, galt lange Zeit als unnatürlich oder unnötig – mit den bekannten Folgen.
Wie viele Straßenhunde gibt es?
Genaue Zahlen sind schwer zu erheben, da viele Hunde nicht registriert sind. In Bukarest allein schätzte man Anfang der 2010er-Jahre rund 60.000 frei lebende Hunde. Nach einer groß angelegten (und äußerst umstrittenen) Fang- und Tötungsaktion 2013 ging die Zahl drastisch zurück. Landesweit geht man derzeit von mehreren zehntausend bis hunderttausend Straßenhunden aus – genaue Zahlen variieren je nach Quelle.
Wie geht Rumänien heute mit seinen Hunden um?
Gesetzliche Lage
Rein rechtlich ist Rumänien verpflichtet, EU-weite Tierschutzstandards einzuhalten. Es existieren Gesetze gegen Tierquälerei, Vorschriften zur Kastration und Programme zur Identifikation und Registrierung von Hunden. Doch auf dem Papier sieht vieles besser aus als in der Realität.
Vieles hängt vom jeweiligen Ort, der Zuständigkeit der lokalen Behörden und dem Engagement einzelner Menschen ab. In manchen Kommunen gibt es funktionierende Tierheime, Kastrationsprogramme und Zusammenarbeit mit Tierschutzvereinen. In anderen wird auf fragwürdige Methoden wie Massenfang und Tötung nach Ablauf einer Frist zurückgegriffen – ganz legal, sofern die Hunde nicht vermittelt werden.
Die Rolle der öffentlichen Tierheime (Adăposturi Publice)
In den sogenannten "Adăposturi Publice" – den staatlichen Tierheimen – herrschen oft katastrophale Zustände. Überfüllung, mangelnde Hygiene, zu wenig Personal und fehlende medizinische Versorgung sind keine Seltenheit. Viele dieser Einrichtungen sind eher Auffanglager als echte Tierheime. Hunde, die nach einer gesetzlichen Frist (oft 14 Tage) nicht vermittelt werden, dürfen eingeschläfert werden – was in der Praxis auch regelmäßig geschieht.
Private Initiativen und internationale Hilfe
Neben den staatlichen Strukturen existieren zahlreiche private rumänische Tierschützer, die oft unter widrigsten Bedingungen versuchen, das Leben der Hunde zu verbessern. Hinzu kommen internationale Organisationen – auch viele deutsche –, die Kastrationskampagnen finanzieren, Futter spenden oder Hunde zur Vermittlung aufnehmen.
Ein bekannter Name in diesem Zusammenhang ist beispielsweise "ProDogRomania", eine deutsche Organisation, die mehrere große Shelters in Rumänien unterstützt. Auch kleinere Vereine leisten wertvolle Arbeit und vermitteln jedes Jahr hunderte Hunde nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz.
Warum werden so viele rumänische Hunde nach Deutschland vermittelt?
Die Nachfrage trifft auf das Angebot
In deutschen Tierheimen finden sich oft vor allem schwer vermittelbare Hunde: sehr alt, krank oder verhaltensauffällig. Gleichzeitig suchen viele Menschen gezielt nach jüngeren, sozialisierten Hunden, was in Rumänien durch die Vielzahl an jungen Straßenhunden eher gegeben ist.
Hinzu kommt das Mitgefühl: Viele Adoptanten möchten bewusst einem Hund aus einer schlechten Haltung helfen und entscheiden sich deshalb für einen Hund aus Rumänien. Oft läuft die Vermittlung über seriöse Vereine, die mit Vorkontrollen, Schutzverträgen und Nachbetreuung arbeiten.
Nicht jeder Hund passt in jedes Zuhause
Trotz aller guten Absichten: Ein Straßenhund aus Rumänien bringt oft andere Voraussetzungen mit als ein Hund aus einer deutschen Zucht oder einem hiesigen Tierheim. Viele dieser Hunde haben Angst vor Menschen, kennen keine Leine oder Wohnung, reagieren sensibel auf Geräusche oder zeigen Fluchtverhalten. Hier ist viel Geduld gefragt – und ehrliche Beratung durch den vermittelnden Verein.
Was wird getan – und was muss sich noch ändern?
Fortschritte und Lichtblicke
In den letzten Jahren hat sich vieles bewegt. Es gibt mehr Aufklärung vor Ort, erste Schulprojekte zur Tierethik, mobile Kastrationsteams und die Kooperation zwischen Behörden und NGOs nimmt (wenn auch langsam) zu. In manchen Gemeinden gibt es mittlerweile verpflichtende Kastrationsregelungen für Besitzerhunde.
Auch auf EU-Ebene gibt es Fördermittel, allerdings bleibt deren Nutzung oft hinter den Erwartungen zurück – Korruption, Bürokratie und mangelndes Interesse bremsen viele sinnvolle Projekte aus.
Was fehlt?
- Flächendeckende Kastrationsprogramme, insbesondere auf dem Land.
- Bessere Kontrolle der öffentlichen Tierheime und eine transparente Verwaltung.
- Schulungen für Tierärzte und Amtsveterinäre, um moderne Standards umzusetzen.
- Langfristige Aufklärung: Ein gesellschaftliches Umdenken in Bezug auf Haustiere ist notwendig – vom „Nutztier“ hin zum Familienmitglied.
Zwischen Hoffnung und Realität
Die Lage der Hunde in Rumänien ist komplex – sie ist historisch gewachsen, gesellschaftlich verankert und wird nur langsam besser. Doch das Engagement vieler Einzelner, der Druck von außen und die stetige Arbeit internationaler Tierschützer zeigen: Veränderung ist möglich.
Wenn du überlegst, einem rumänischen Hund ein Zuhause zu geben, dann informiere dich gut, suche dir einen seriösen Verein und sei bereit, geduldig zu sein. Du wirst es mit einem loyalen, oft tief berührenden Gefährten belohnt bekommen.
Was denkst du über die Situation der Hunde in Rumänien?
Hast du selbst schon Erfahrungen mit rumänischen Hunden gemacht? Oder findest du, dass Tierschutz vor allem im eigenen Land passieren sollte? Schreib deine Meinung gerne in die Kommentare – der Austausch unter Hundefreunden ist wichtig, um gemeinsam etwas zu bewegen.